Altersfrakturen nehmen zu
Auffällige Häufung könnte eine Folge des Corona Lockdowns sein
30.07.2020
Doch nicht nur die Zahl der Ellenbogenbrüche ist derzeit auffällig hoch, auch im Bereich des oberen Sprunggelenks versorgen die Ehinger Chirurgen derzeit auffällig viele Knochenbrüche. Viele der betroffenen Patienten sind alt oder hochbetagt und haben sich ihre Verletzungen beim Arbeiten im Garten oder auf der Leiter, beim Fahrradfahren oder ähnlichen Aktivitäten zugezogen. „Ich habe bereits direkt in den ersten zwei Wochen nach dem Ende des Lockdowns das Gefühl gehabt, dass Altersfrakturen zunehmen, aber in den letzten Wochen hat das nochmal zugenommen. Während es zu Beginn vor allem Knochenbrüche in Folge von Alltagsbewegungen wie dem Sturz in der Wohnung waren, merkt man inzwischen, dass sich viele ältere Mitbürger wieder mehr raustrauen. Für das normale Gehen reicht dann die Kraft noch, aber Dinge wie Fahrradfahren oder das Besteigen einer Leiter sind dann eben zu viel gewesen.“ so Prof. Kramer. Die Ärzte vermuten einen deutlichen Kraftabbau während des Corona Lockdowns, weil viele aus Angst vor einer Ansteckung auf gewohnte Dinge wie den täglichen Spaziergang oder den Weg zum Friseur oder Supermarkt verzichtet haben.
Mit den Folgen einer nicht freiwilligen Immobilität beschäftigt sich Dr. med. Michael Jamour als Chefarzt der Geriatrischen Rehaklinik und der Abteilung für Innere Medizin und Geriatrie im Alltag. „Zum einen baut der Muskel unheimlich schnell Kraft ab – da reichen schon wenige Tage Bettlägrigkeit. Aber nicht nur das erhöht die Gefahr eines Sturzes. Wir alle „üben“ den Bewegungsablauf des Gehens und damit das Gleichgewicht täglich und mit jedem Schritt, ohne dass uns dies bewusst ist. Liegt ein älterer Mensch krankheitsbedingt im Bett oder ist er auch nur weniger körperlich aktiv als üblich, tritt hier ganz schnell eine Gangunsicherheit zu Tage, die auch die Sturzneigung und damit die Gefahr eines Knochenbruchs erhöht“ sagt der erfahrene Altersmediziner.
Ob die größere Zahl an Altersfrakturen wirklich eine Nebenfolge von Corona ist oder letztlich einfach ein großer Zufall, kann natürlich nicht mit Sicherheit gesagt werden. Problematisch ist aber nach wie vor die Weiterbetreuung dieser Patienten. „Zu Beginn hatten wir ganz akut das Problem, dass die Anschlussheilbehandlung kaum zu organisieren war“ erklärt Prof. Kramer. Und obwohl nun Lockerungen in den Pflegeheimen dazu führen, dass dort wieder Patienten in die Kurzzeitpflege aufgenommen werden können, ist der Zustand vor Corona auch hier noch nicht erreicht. Denn auch die Akutgeriatrie hat derzeit ebenso wie auch die Geriatrische Rehaklinik weniger Betten zur Verfügung, weil Bettenkapazitäten für Corona-Verdachtsfälle neu geschaffen werden mussten.
Prof. Dr. med. Michael Kramer Dr. med. Michael Jamour