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Ein Leben auf zwei gesunden Beinen

Der Syrer Abd Albaset Alrajab wurde nach einem Bombenangriff von Prof. Kramer im Alb-Donau Klinikum Ehingen erfolgreich behandelt

Der inzwischen 36 Jahre alte Mann wurde in seiner Heimatstadt Damaskus aus völlig heiterem Himmel von einer Bombe getroffen. Zum Zeitpunkt dieses Anschlags war der Krieg scheinbar weit weg; Alrajab und seine Familie lebten einen weitgehend normalen Alltag.

Deshalb sahen sie die Gefahr auch nicht kommen, als die Flugzeuge am Himmel erschienen. Die Bombe machte nicht nur Haus und Supermarkt der Familie dem Erdboden gleich – sie hinterließ auch bis heute sichtbare Folgen bei Alrajab und seiner Familie. Seine Tochter verlor bei dem Angriff einen Arm, sein Neffe ein Bein und für den neunjährigen Nachbarsjungen kam jede Hilfe zu spät. Auch Alrajab wurde durch die Wucht der Bombe schwer getroffen: Er hatte an beiden Beinen offene Brüche. Nach sieben Operationen in einer großen Klinik im Damaskus konnte er sein rechtes Bein wieder nutzen. Doch die Wunde im linken Bein entzündete sich und die Ärzte bekamen diese Entzündung nicht in den Griff.

Er kam über das Mittelmeer und die Balkanroute nach Deutschland und wurde dort nach seiner Anerkennung im Asylverfahren von Prof. Kramer untersucht. Der erfahrene Chirurg wandte bei dem Syrer eine Methode an, die ihm eine Chance auf den Erhalt seines linken Beines bot. Die so genannte Segmentresektion mit dem Ilizarov Ringfixateur wird nur in wenigen großen Kliniken angewandt.
Anfang Dezember 2016 wurde der Syrer vom Chefarzt der Chirurgischen Klinik operiert. Der Plan: Das infizierte Knochengewebe, welches den Unterschenkel seines linken Beins instabil gemacht hatte, musste entfernt und der Knochendefekt mit Hilfe des Ringfixateurs wieder aufgebaut werden. Dabei werden die Knochenenden jeden Tag um 1 mm auseinandergezogen. Zwischen den Knochenenden bildet sich neues Gewebe, das zu Knochengewebe aushärtet.

Prof. Kramer war damals sehr zuversichtlich, dass es ihm gelingen würde, das Bein des Syrers zu erhalten. Letztlich hat es auf dem Weg zu diesem Ergebnis länger gedauert als ursprünglich erwartet, aber heute können Patient und Chefarzt gemeinsam strahlen, denn Abd Albaset Alrajab kann inzwischen auf seinen eigenen Beinen gehen und blickt in eine hoffnungsvolle Zukunft.

Insgesamt wurde Alrajab fünf Mal in Ehingen operiert, zuletzt wurde im vergangenen Sommer eine Achskorrektur vorgenommen, die seine O-Beinstellung begradigte. Mehrmals musste eine Revision vorgenommen werden. Der Chefarzt erklärt den Grund „Bei dieser Art der Behandlung ist im Vorhinein nicht absehbar, wie der Weg verläuft. Im Fall von Herrn Alrajab reichte die Infektion des Knochens mit nur 3 cm sehr nah an das Kniegelenk – es bestand die Gefahr, dass die Kniefunktion beeinträchtigt wird. Um dies zu verhindern, sägte der Chirurg eine Art Treppe in den Unterschenkelknochen.

Diese Art der Behandlung war ein Versuch, der jederzeit hätte scheitern können. „Ohne Frage wäre eine Amputation des Unterschenkels der weit einfachere Weg gewesen. Aber ich wusste, dass er mit diesem Fuß den ganzen Weg von Syrien zu uns bewältigt hat, dass ihn seine Beine über die Balkanroute getragen haben. Ich habe es nicht über’s Herz gebracht, ihm dieses Bein zu nehmen.“ Ein weiterer Grund kam dazu: „Ich habe Herrn Alrajab als sehr starke Persönlichkeit kennengelernt. Ihm habe ich es zugetraut, diese lange Durststrecke durchzustehen. Das schafft nicht jeder, denn allein schon der Ilizarov Ringfixateur ist eine Herausforderung. Mehrere Operationen und eine monatelange Behandlung über sich ergehen zu lassen und bei all dem nie zu wissen, ob sich die ganzen Mühen am Ende lohnen werden – das braucht eine ganz starke Psyche. Insgesamt hat die Behandlung bei ihm 1 Jahr und 9 Monate gedauert. In der ganzen Zeit habe ich ihn nicht einmal jammern gehört. Und im ersten Termin nach Abschluss seiner Behandlung fragt er mich schon, was er jetzt arbeiten kann. Das zeigt, dass er trotz all des Leids, das er erlebt hat, immer positiv nach vorn blickt.“

Alrajab ist heute dankbar und sehr glücklich, bei Prof. Kramer Hilfe gefunden zu haben. „Ich habe bei meiner Tochter im nahen Umfeld erlebt, wie es ist, wenn jemand ein Körperteil verliert. Sie ist immer wieder traurig, weil sie keinen linken Arm mehr hat. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich beide Beine behalten konnte. Im Krankenhaus waren alle immer sehr nett und freundlich, nicht nur Prof. Kramer, auch die Krankenschwestern. Was ich aber wirklich sagen muss: Prof. Kramer hat das super gemacht. Ich hatte zwischendurch immer mal wieder ein bisschen Schmerzen, aber das ist immer besser, als wenn das Bein weg wäre. So kann ich wieder alles machen. Inzwischen kann ich auch meinen Hobbys wie Fahrradfahren oder Tischtennisspielen wieder nachgehen; langsamer zwar, aber es geht. Nach dem Fixateur hatte ich erst mal noch einen Gips. Als der weg war, hatte ich erst Angst, mein Bein auch zu belasten. Aber das ging ganz schnell. Die Angst ist heute weg und ich kann sogar wieder größere Strecken am Stück gehen.“

Letztlich hatte Alrajab das Glück, mit Prof. Kramer an einen Arzt gekommen zu sein, der diese sehr komplexe Art der Behandlung an seinen früheren Wirkungsstätten gelernt hat. „Heute machen das nur wenige große Kliniken, so Kramer. Doch wieso ist das eigentlich so? „Die Segmentresektion mit dem Ilizarov Ringfixateur ist ein sehr komplexes Thema, das ganz viel Erfahrung mit solchen Fällen braucht. Es gibt da so viele Möglichkeiten, wie sich das entwickeln kann, da reicht es nicht, wenn man ein paar Fälle gesehen hat. Und heute sieht man Patienten mit so großen Defekten wie bei Herrn Alrajab nur noch sehr selten bei uns. Auch das trägt dazu bei, dass viele Ärzte das Verfahren während ihrer Ausbildung selten oder gar nicht sehen, geschweige denn selbst betreuen. Ich bin wirklich glücklich, dass wir ihm hier in Ehingen einen Weg ermöglichen konnten, das Bein zu erhalten. Das ist auch für mich ein schönes Happy End!“

Und ein Happy End nahm auch die private Entwicklung. Alrajab hat die Sicherheit, in Deutschland bleiben zu dürfen und inzwischen ist auch die Familie wieder vereint. Er macht einen Sprachkurs und trägt seinen Teil zu einer gelungenen Integration bei.