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Eine OP gibt neue Hoffnung nach Bombenangriff

Der Syrer Abd Albaset Alrajab wurde in Ehingen von Prof. Kramer behandelt

Die Bombe traf sie aus völlig heiterem Himmel – sie hatten die Gefahr nicht kommen sehen und daher auch keine Fluchtversuche unternommen, als sie das Flugzeug hörten. Alrajab saß mit seiner Familie beim Frühstück, als die Bombe sein Haus und den Supermarkt dem Erdboden gleich machte. Seine Tochter verlor bei dem Angriff einen Arm, sein Neffe ein Bein und ein neunjähriger Nachbarsjunge sein Leben. Auch Alrajab war schwer getroffen, hatte an beiden Beinen offene Brüche.
In einer großen Klinik in Damaskus wurde er insgesamt sieben Mal operiert. Während das rechte Bein dadurch wiederhergestellt wurde, entzündete sich die Wunde am linken Bein. Er wurde ein Jahr lang mit einem Fixateur behandelt, aber die Infektion bekamen die syrischen Ärzte trotz aller Bemühungen nicht in den Griff.
Mit Krücken flüchtete er über die Türkei, ein Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer und Griechenland über die Balkanroute nach Deutschland, beantragte hier Asyl und kam nach 3 Monaten in der Aufnahmestation in Meßstetten nach Obermarchtal.
Solange sein Asylverfahren noch nicht abgeschlossen war, wurde er von Dr. med. Friedrich Hudek behandelt. Diesem ist er heute noch sehr dankbar, denn er tat alles in seiner Macht stehende, um die Wunde zu behandeln. Sobald sein Asylverfahren abgeschlossen war und er anerkannt wurde, überwies er ihn dann in die Chirurgische Klinik des Alb-Donau Klinikums Standort Ehingen.
Chefarzt Prof. Dr. med. Michael Kramer erkannte bei der Untersuchung von Alrajab die Chance, ihm durch eine Methode zu helfen, die heute nur noch von wenigen großen Kliniken der Berufsgenossenschaft angewandt wird: Die so genannte Segmentresektion mit einem Ilizarov Ringfixateur.
„Als ich den jungen Mann das erste Mal untersuchte, stellte ich fest, dass der Unterschenkel seines linken Beins durch die Infektion und eine Fistel inzwischen instabil war. Unsere Aufgabe bestand nun darin, das infizierte Gewebe operativ zu entfernen und dann den Knochendefekt mit Hilfe des Ilizarov Ringfixateurs wieder aufzubauen. Dabei werden die Knochenenden jeden Tag 1 mm auseinandergezogen. Zwischen den Knochenenden bildet sich neues Gewebe, das zu Knochengewebe aushärtet. Ein Knochen kann theoretisch unendlich verlängert werden. Dennoch limitieren die Weichteile diese Verlängerung auf ca. 12 cm. Mit diesem Eingriff können wir unserem Patienten die sonst drohende Amputation des Unterschenkels ersparen. Die OP war am 2. Dezember und sowohl diese als auch der Verlauf des anschließenden stationären Aufenthalts machen mich zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen werden. Heute sieht man bei uns nur noch sehr selten Patienten mit solch einem Befund, daher war es für Herrn Alrajab auch nicht einfach, eine Klinik zu finden, die mit diesem Verfahren vertraut ist.“
Abd Albaset Alrajab ist dafür auch sehr dankbar. Die professionelle Hilfe in Ehingen hat ihn sehr beeindruckt und er ist sehr zufrieden mit der Behandlung und dem bisherigen Verlauf der Heilung. Auf die Frage, wie gut er denn mit dem Fixateur zurechtkommt, lacht er. „Meine Beine tun nun nicht mehr weh, aber der Fixateur ist so umständlich, dass ich vom vielen Liegen inzwischen Rückenschmerzen habe“.
Viel mehr als dieses Zipperlein plagen ihn aber die Erinnerungen an schreckliche Bilder und die Sorge um seine Verwandten, die immer noch in Syrien leben. Während seine achtjährige Tochter mit ihm hier in Deutschland lebt, sind seine Frau und die beiden anderen Töchter (5 und 10 Jahre) noch in der Türkei. Durch einen Fehler auf einem Formular muss der Antrag auf Familiennachzug nun noch einmal gestellt werden und die Trennung und die Angst, dass dabei etwas schief geht, belasten den Syrer deutlich erkennbar. Das ist die eine Seite. Die andere ist das für uns so selbstverständliche Gefühl, keine Angst vor Bomben haben zu müssen. Denn für ihn ist dies nach dem Angriff in Damaskus etwas besonders Wertvolles. Sein Dank gilt den Ärzten, die ihm sein Bein gerettet haben und seiner Nachbarin Nicole Traub, die sich intensiv um ihn und besonders rührend um seine Tochter gekümmert hat, während er in Ehingen im Krankenhaus lag.
Rund neun Monate dauert der Aufbau des Knochens noch, aber bisher sieht alles danach aus, dass Abd Albaset Alrajab sein neues Leben in Obermarchtal dann auf zwei gesunden Beinen starten kann.



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